Ich atme Gedanken, während ich den Wald betrete. Doch schon während sich die ersten Äste über mir ausbreiten beruhigt sich mein Puls, meine Schritte werden langsamer und ich spüre, wie die Lasten auf meinen Schultern nach und nach hinter mir zurück bleiben.
Während ich einen Fuß vor den anderen setze, fallen gelbe Blätter um mich herum zu Boden. Auf ihrem Weg zu mir, rascheln sie wie sanfte Regentropfen in den Bäumen und streicheln meine Seele mit ihrem zarten Tanz aus Wissen und Vergessen. Es ist, als ob sie nur für mich eine weitere Runde durch die Luft drehen, als würden sie mich begrüßen.
Neben mir am Wegesrand huscht eine Maus durch das Dickicht und die Stille des Waldes macht sie zu einer Komposition dieses magischen Moments voller sinneserfüllender Eindrücke. Sie bleibt kurz stehen, dann ist sie wieder verschwunden. So wie die Zeit in diesem Moment stehen zu bleiben scheint.
Inmitten der Stille bleibe auch ich stehen und lausche der Welt. Sonnenlicht fällt durch das lichtgewordene Blätterdach und ein funkelndes Spiel aus Farben, Bewegungen und sanften Sonnenstrahlen erfüllt den Augenblick. Jetzt gerade bin ich nur hier und es gibt nur mich und diesen Wald. Ich atme die kühle Luft dieses Septembertages ein und es ist, als ob ich die verschiedenen Farben der Blätter schmecke – ich atme den Herbst.
Dann setze ich meinen Weg fort, höre meine Schritte wie eine Bestätigung der Realität, die ich hier erlebe und ein inneres Kribbeln sagt mir, dass ich ganz bei mir bin. Dies ist einer jener Momente, in denen ich die Verbindung zur Erde so stark spüre, als könnte ich die magischen Fäden ergreifen und ihnen folgen – hinein in den Kern der Harmonie. Hinein in die mit Liebe gefüllte, warme Umarmung des Planeten.
Während um mich herum flinke Eichhörnchen die hohen Stämme erklimmen, öffne ich mich dieser Harmonie. Ich lasse sie meine Seele umarmen und tanze mit ihr ein paar Schritte im Takt der Erinnerung, bin wieder Kind und werfe das Laub hoch, schaue zu wie es in den buntesten Farben vom Wind verweht wird und rieche den Duft des Kreislaufs. Es kribbelt im Bauch.
Der Wald urteilt nicht. Hier kann ich sein, wer ich bin – ganz ich selbst. Hier atme ich das Leben, spüre den Frieden in den Tiefen meiner Selbst und füge Zerbrochenes zu einem Mosaik aus Farben und Emotionen zusammen, bis daraus ein Kunstwerk der Hoffnung entsteht.
Ich atme noch einmal den friedlichen Duft des Versprechens, bevor ich langsamen Schrittes den Wald verlasse. Etwas hat sich verändert. Etwas ist geheilt. Ich atme.
Vielen Dank fürs Lesen meiner persönlichen Reflexion eines Herbstspaziergangs. Wenn dir mein Beitrag gefallen hat, freue ich mich über deinen Kommentar im Kommentarfeld unter diesem Text.
Die Farben des späten Jahres habe ich auch in meinen Haiku-Karten „Herbstzauber“ eingefangen. Du kannst sie in meinem Wortmagie-Shop anschauen und bei Gefallen ganz leicht zu dir nach Hause bestellen. Schau dich gerne um.
Wunderschön beschrieben !
Die Natur gibt uns immer das und soviel wir brauchen um unser Gleichgewicht wieder herzustellen.
Liebe Grüße
Manuela
Vielen lieben Dank, Manuela. Genau so ist es. Die Natur gibt uns immer das, was wir brauchen. Deswegen müssen wir sie um jeden Preis bewahren. Sie ist unser Fundament, in dem wir verwachsen sind.
Das ist wieder so schön geschrieben von dir. Deine Beiträge lese ich so gerne da sie von Herzen kommen
Vielen Dank für deine lieben Worte. Ich freue mich sehr darüber.